Liebe Li.fa Freund*innen,
seit unserem letzten Newsletter im März ist, wie so oft, einiges passiert. Die folgenden Neuigkeiten haben uns vor allem in der letzten Woche umgetrieben und bevor wir weiter um den heißen Brei reden kommen wir direkt zur relevantesten Neuigkeit.
Vor circa 3 Wochen haben wir erfahren, dass es nun einen Immobilieninvestor gibt, der Interesse an dem Kauf der Likörfabrik, der umliegenden Flächen und dem dahinterliegenden Kanalplatz bekundet hat.
Dieser Investor hat laut unserem Informationen (die bisher auch noch viel auf dem stille Post Prinzip beruhen) dem derzeitigen Eigentümer der Likörfabrik (Arne Weber) 800.000€ für einen Kauf der Likörfabrik und des dazugehörigen Grundstücks geboten. Ein erstes Treffen zwischen Investor und Behörden scheint auch schon stattgefunden zu haben. Über den Verlauf und Ausgang dieses Treffens ist bisher noch nichts bekannt geworden.
Uns war immer klar, dass Arne Weber als Eigentümer der Likörfabrik diese verkaufen kann, an wen er möchte. Doch hatten wir gehofft, dass nach mehrmonatigen, schon abgeschlossenen Verhandlungen der Kompromiss, der mithilfe des Bezirksamtes und der Lawaetz-Stiftung zwischen Arne Weber und uns gefunden wurde, etwas mehr Bestand hätte.
Natürlich war das auftauchen eines vermeintlich finanzstarken Investors schon immer ein „worst-case-Szenario“ für uns, aber angesichts der zahlreichen gescheiterten Versuche einer renditeorientierten Nutzung der denkmalgeschützten Häuser eher nebensächlich. Dass jetzt so knapp bevor die größte Hürde für unser Projekt – und damit für die dauerhafte Rettung der Likörfabrik und der Schaffung dringend benötigtem bezahlbaren Wohnraum im Harburger Binnenhafen – genommen ist, plötzlich ein Investor kommt und Arne Weber mehr als das doppelte des von ihm vor Jahrzehnten gezahlten Kaufpreises bezahlt, hat uns kalt erwischt.
Aber es schwirrt noch mehr stille Post durch die Luft: Gefunden hat sich der neue Investor scheinbar über guten persönlichen Kontakt zum Sohn von Arne Weber (und sein designierter Nachfolger an der Spitze seiner Baufirma H.C. Hagemann). Ihm wird viel Erfahrung rund um die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude nachgesagt, ohne, dass dies bisher konkreter belegt worden wäre. Was seine genauen Pläne sind, ist bisher genauso unbekannt wie seine genaue Identität. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass er zeitnah (und vor dem formellen Kauf) einen oder mehrere sogenannte Bauvorbescheidanträge stellen wird. Dieser dient oft dazu rechtliche Fragen im Bezug auf die Realisierbarkeit von Bauvorhaben bereits im Vorfeld zwischen Investor und Stadt verbindlich abzuklären.
Diese 180° Wendung der ganzen Situation rund um die Projektrealisierung trifft uns unerwartet. Waren wir doch gerade dabei unsere gesamte Energie in die Sammlung von Direktkrediten zu legen um die benötigte Summe für die Realisierung unseres Projektes zu erreichen. Gleichzeitig haben wir uns auch mit einer weiteren Gruppe zusammengeschlossen, um größer zu werden und die Arbeiten auf mehr Schultern verteilen zu können. Nun müssen wir das Zusammenwachsen der beiden Gruppen und die neu entstandenen Herausforderungen rund um das Auftreten des Investors unter einen Hut kriegen.
Bei uns läuft es nun natürlich drunter und drüber: Wir haben drei „Notfalltreffen“ einberufen, uns zu vielen neuen Themen schlau gemacht, ein Treffen mit der Stadt organisiert und versuchen weiterhin an so viel Informationen zu kommen wie möglich. Nun ist es zwar nicht so schwer wie den Passierschein A38 zu finden, dennoch bekommen wir immer nur tröpfchenweise Informationen, die zudem fast immer sehr vage sind.
Weder der Bezirk, noch das Denkmalschutzamt haben uns bisher Informationen zukommen lassen , noch zu erkennen gegeben, dass sie bereit sind den Weg den wir über die letzten Jahre zum Erhalt der Likörfabrik und zur Schaffung sozialem Wohnraums geebnet haben weiterzugehen. Wie schon seit Beginn unseres Projektes sind wir auf uns selbst und eure Unterstützung angewiesen.
Immerhin für uns, relativ bekannte Gewässer.
Auch unser leider nur informelles Treffen mit dem Bezirk vorletzte Woche war in diesem Sinne nicht besonders aufschlussreich. Der Bezirk zieht sich auf eine Position zurück die man circa so zusammenfassen kann; „Naja, dann seid ihr halt raus, das ist Privateigentum!“. Zwar wurden Sympathien von Seiten der Stadt gegenüber unserem Projekt und dessen Zielen geäußert, dies ist allerdings auch nichts wert, wenn wir ohne Flächen zur Umsetzung dieses „tollen Projektes“ dastehen.
Doch für uns ist klar – und das haben wir auch bei dem Treffen mit dem Bezirk deutlich gemacht: Egal, wie der Kampf um die Likörfabrik ausgehen wird: Wir lassen uns nicht von unserem Plan ein Hausprojekt in Harburg umzusetzen abbringen!
Nun könnten wir uns hier auslassen wie Ungerecht alles ist. Dass Investor*innen mit viel Geld bevorzugt werden. Dass die Stadt ihre selbstgestecktes Ziele „ein Drittel sozialer Wohnungsbau“ noch nie eingehalten hat und ein profitorientiertes System selbstverwalteten Projekten wie unserem keinen Raum gibt.
Dass wer sich städtische Politik anschaut, sich zwangsläufig fragt, wie grundsätzlich so ein Projekt realisiert werden soll, wenn so gut wie alle Flächen an private Investor*innen und Pächter*innen vergeben werden.
Wie soll sozialer Wohnraum geschaffen werden, wenn alle Flächen an die meistbietenden verscherbelt werden? Es ist doch klar, dass die Kosten – plus ein ordentlicher Profit – auf die Mietpreise umgeschlagen werden. Was sollen Menschen und Gruppen tun, wenn sie auch mit mehrjähriger Arbeit, viel Engagement und bei aller Kompromissbereitschaft auf den „möglichen Wegen der Beteiligung in Städten“ nicht zu einem Ergebnis kommen und am Ende mit leeren Händen dastehen? Wie kann es sein, dass ein Projekt – das einem Stadtteil wie dem Binnenhafen alles bietet, was ihm fehlt – nach mehrjähriger gemeinsamer Planung bedenkenlos über Bord geworfen wird, sobald jemand ein bisschen Geld auf den Tisch packt?
Kein Grund zu Freude also? Ach was, da haben wir schon Beschisseneres erlebt. Klar auch Erfreulicheres; nur wissen wir, seit dem wir das Projekt ins Leben gerufen haben, dass es einen Haufen Arbeit, viel Werbung und dann noch ein wenig Glück braucht.
Nun haben wir viel Arbeit und Werbung gemacht, nur das mit dem Glück steht (noch) nicht so ganz auf unserer Seite. Also machen wir weiter mit dem, was wir uns über die letzten dreieinhalb Jahre erarbeitet haben: Wir setzen die über die Jahre gewonnen Erkenntnisse über Bau-, Planungs- und Verwaltungsrecht; Lokalpolitik und Verhandlungsprozesse; Aushandlungs- und Organisationsprozesse – auch in größeren Gruppen – und vielem mehr ein, um unserem Ziel näher zu kommen.
Es stellt sich, wie so oft, wieder die Frage: Was tun?
Wir sind bereit und auch schon aktiv dabei zu versuchen, die Auseinandersetzung zwischen einem emanzipatorischen soziokulturellen Projekt und einem finanzstarken, renditeorientierten Investor für uns zu entscheiden. Auf, dass es auch Wohnraum gibt, den sich auch Menschen ohne viel Padde, Zaster und Moneten leisten können.
Wohnraum, der ein Stück Harburger Industrialisierungsgeschichte dauerhaft vor dem verschwinden rettet. Wohnraum der Platz lässt für kulturelle Aktivitäten und das realisieren gemeinsamer Vorstellungen, für alle.
Danke für eure Zeit und viel Energie euch allen für die kommenden Tage und Wochen. Spätestens bis zum nächsten Newsletter.
Eure Li.fa Crew <3